Vom Rügener Fischteich zum Nationalen Naturerbe
Wie die NABU-Stiftung Naturschutzland vor dem Ausverkauf rettet
Die Halbinsel Jasmund auf Rügen ist bislang vor allem für ihre markanten Kreidefelsen und alten Buchenwälder berühmt. Doch ganz im Süden der Insel zwischen Großem und Kleinen Jasmunder Bodden und Ostseeküste liegt ein kleiner und noch unentdeckter Naturschatz: die Wostevitzer Teiche. Die zwei großen Seen gehören zu den wenigen Binnengewässern auf Rügen, die zu keiner Zeit mit der Ostsee in Verbindung standen. Durch ihre geringe Wassertiefe gibt es hier große natürliche Verlandungsbereiche aus Röhrichten, Großseggen und Erlenbruchwäldern, die eine vielfältige Vogelwelt aufweisen. Zum Beispiel durchstreift der stark gefährdete Wachtelkönig die Uferbereiche und Feuchtwiesen auf der Suche nach Insekten und Kleingetier. Auch Tüpfelsumpfhuhn, Flussseeschwalben und Rohrweihe nutzen die Teiche regelmäßig als Nahrungsgebiet. Während der Laichzeit der Brassen, einer karpfenartigen Fischart, sind die Teiche zudem Hotspot für Seeadler. Bis zu 27 Exemplare konnten hier bereits gleichzeitig beobachtet werden.
Gute und schlechte Zeiten
Dass die Wostevitzer Teiche heute noch Naturparadies sind, ist keine Selbstverständlichkeit. Anfang der 1970er Jahre zerstörte das massive Einleiten von Gülle in die Teiche die artenreichen Fischbestände und die wertvolle Unterwasservegetation aus Armleuchteralgen und Laichkräutern. Die Fischerei wurde daraufhin aufgegeben. Erst 1994 konnten die Teiche als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden, um die Gewässerlandschaft für Wachtelkönig und Co. zu erhalten. Seit fast zehn Jahren bewahrt die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe einen Großteil der Wostevitzer Teichlandschaft und sorgt dafür, dass sich das Naturparadies durch eine naturgerechte Bewirtschaftung weiter erholt.
Die rund 240 Hektar großen Naturschutzflächen, die sie 2009 von der Bundesregierung erhielt, gehörten ursprünglich zum ehemaligen Volksvermögen der DDR. Sie fielen mit der Wiedervereinigung mit dem gesamten Nachlass der DDR an den Bund, der über die Treuhandanstalt mit dem Verkauf begann. Auch wertvolle Naturschutzflächen sollten so an Dritte veräußert werden. Erfolgreich setzten sich Naturschützer jedoch für eine Flächenübertragung an Naturschutzorganisationen und Bundesländer ein und konnten so wertvolle Naturschutzfläche vor der Privatisierung retten. Die NABU-Stiftung erhielt über das sogenannte „Nationale Naturerbe“ bislang rund 7.800 Hektar Wald, Feuchtgebiet, Landwirtschaftsfläche und Gewässer kaufpreislos vom Bund. Dazu zählen nicht nur ostdeutsche Schutzgebiete, sondern auch große ehemals militärisch genutzte Liegenschaften in Süd- und Westdeutschland.
Naturerbe entwickeln
In den Wostevitzer Teichen übernahm die NABU-Stiftung vom Bund zuerst die um die Teiche liegenden Röhrichte und Erlenbruchwälder, die sich seither vollkommen ungestört entwickeln dürfen. 2013 gelangten auch Äcker, Wiesen und Wälder außerhalb des Naturschutzgebietes in Stiftungsobhut. Dadurch bekam die NABU-Stiftung die Chance, die hohen Schutzstandards weit über die Grenzen des Naturschutzgebietes auszudehnen. Naturnahe urige Buchenwälder prägen so auch heute noch die Landschaft nahe der Wostevitzer Teiche. Die früher intensiv genutzten Äcker und Wiesen im Süden ihres Naturparadieses verpachtete die Stiftung an einen regionalen Landwirt, der nach den strengen Bioland-Richtlinien wirtschaftet. Ackerwildkräuter, Insekten, Feld- und Wiesenvögel und viele andere Arten der Agrarlandschaft erobern sich diesen Lebensraum seither wieder.
Die Erfolgsgeschichte geht weiter
Seit März 2018 ist klar, dass das für die Natur so erfolgreiche Programm „Nationales Naturerbe“ weitergeht. Denn Recherchen der NABU-Stiftung konnten nachweisen, dass immer noch viele ehemals volkseigene Flächen der DDR von hohem Naturschutzwert in Hand der staatlichen Treuhandgesellschaft BVVG sind. Durch die Überzeugungsarbeit der Naturschutzverbände beschlossen die Regierungsparteien daraufhin im neuen Koalitionsvertrag 2018, weitere 30.000 Hektar unentgeltlich an Naturschutzorganisationen zu übertragen und auf einen Verkauf zu verzichten. In Mecklenburg-Vorpommern hat die NABU-Stiftung die Chance, umfangreiche Naturerbeflächen in Stiftungshand zu sichern, darunter auch in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Wostevitzer Teichen. Nach der Übertragung wird die NABU-Stiftung hier eine neue Heimat für Feldlerche, Braunkehlchen, Wachtel, Wachtelkönig und andere bedrohte Vögel der Offenlandschaft schaffen. Am Ende könnte davon auch der selten gewordene Kiebitz profitieren, der bislang am Jasmunder Bodden eher nur als Urlauber vorkommt.
Das Nationale Naturerbe
… sind rund 156.000 Hektar wertvolle Naturflächen im Bundeseigentum, die der Bund seit 2005 unentgeltlich an Länder und Naturschutzorganisationen überträgt. Hierzu zählen Flächen aus dem DDR-Volksvermögen, das „Grüne Band“ entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze, stillgelegte Braunkohletagebaue in Ostdeutschland sowie ehemals militärisch genutzte Gebiete. Für einen Teil der ehemaligen Militärflächen, die sogenannte Bundeslösung, übernimmt der Bund selbst die Pflege und Entwicklung der Flächen. Die NABU-Stiftung hat unter den privaten Stiftungen bisher die größte Verantwortung bei der Bewahrung dieser wertvollen Naturflächen übernommen.