Krautsand ist ein wichtiges Rastgebiet für den Großen Brachvogel. - Foto: Frank Derer
Artenparadies Krautsand
Gemeinsam die Vielfalt der Tideelbe bewahren
Die Tideelbe ist die größte von Ebbe und Flut beeinflusste Flussmündung in Deutschland und steht weitgehend unter europäischem Naturschutz. Im Süßwasserbereich der Tideelbe, an der Grenze zur Brackwasserzone, liegt die ehemalige Elbinsel Krautsand im Landkreis Stade, die nach der Sturmflut 1976 eingedeicht wurde. Sie wird durchzogen von Wasserläufen sowie eingerahmt von der Wischhafener Süderelbe und dem Ruthenstrom, zwei Nebenarmen der Tideelbe. Seltene Lebensräume wie Süßwasserwatt mit Prielen und Flachwasserzonen, Süßwasser-Tideröhrichte und Tide-Auwälder zeichnen das Gebiet aus.
Heimat für 150 gefährdete Arten
Ästuare wie die Tideelbe - also eine von Ebbe und Flut geprägte Flussmündung - sind Gebiete mit ständig wechselnden Lebensbedingungen. An der Tideelbe, dort wo der Elbstrom ins Meer mündet, ändert die Tide zweimal täglich die Fließrichtung und den Wasserstand. Mit jeder Flut dringt Salzwasser in den Fluss ein. Süß- und Salzwasser mischen sich dann und eine Brackwasserzone entsteht. Der Einfluss der Gezeiten lässt wertvolle Lebensräume entstehen. Wat-, Wasser- und Wiesenvögel brüten hier. In den Flachwasserzonen laichen seltene Fischarten. Viele Insekten leben im Röhricht, das auch zahlreichen gefährdeten Vogelarten Brutmöglichkeiten bietet. Und etliche Arten fühlen sich nur unter den extremen Bedingungen wohl, wie die Gezeiten sie hier schaffen. So gedeiht der Schierlings-Wasserfenchel nirgends sonst auf der Welt als im Süßwasserbereich des Elb-Ästuars.
An und auf Krautsand kommen über 150 gefährdete Arten vor, darunter sind Neunauge und Aal, Kiebitz und Uferschnepfe. 52 von ihnen, wie Rohrweihe und Wachtelkönig, sind europaweit geschützt. Krautsand ist mit seinen ausgedehnten Marschengrünländereien zudem wichtiges Brut- und Rastgebiet für Gänse, Brachvögel, Goldregenpfeifer und andere Zugvögel.
Bedrohte Vielfalt
Die seltenen an die Tideelbe angepassten Arten sind keineswegs in Sicherheit. Denn die Nutzung des Ästuars durch den Menschen hat ihren Lebensraum massiv verändert und tut es noch. Durch Eindeichungen gingen 90 Prozent der Überflutungsflächen verloren, Elbnebenarme sowie Zuflüsse wurden abgetrennt und die Fahrrinne wird für die Schifffahrt derzeit zum neunten Mal vertieft. Dies verändert die Strömungsverhältnisse und Wasserstände. Starker Wellenschlag schädigt die Watt-, Röhricht- und Auwaldflächen am Hauptstrom. Flachwassergebiete und Nebenelben wie die Wischhafener Süderelbe verschlicken. Und der Süßwasserbereich versalzt immer mehr. Viele ästuartypische Tiere und Pflanzen sind bereits stark gefährdet.
Naturschutzgroßprojekt Krautsand
In Partnerschaft mit dem Projektträger WWF Deutschland wollen wir die selten gewordenen Lebensräume an der Tideelbe nachhaltig schützen und neue schaffen. Deshalb haben der WWF und die NABU-Stiftung im Herbst 2020 ein Naturschutzgroßprojekt für Krautsand gestartet. So sollen abgetrennte Gewässer wieder an das Tidegeschehen der Elbe angeschlossen sowie ästuartypische Ufer und neue Gewässer angelegt werden, um Nahrungs-, Aufwuchs- und Laichgebiete für Fische wie Finte und Schlammpeitzger zu schaffen. Auch Arten wie Rohrdommel und Schierlings-Wasserfenchel wollen wir auf Krautsand wieder neuen Lebensraum schenken. Bestehende und neu zu schaffende Grünländer wollen wir als Lebensraum von Wiesenvögeln und als Vogelrasthabitat aufwerten. Auf der Seite des WWF gibt es weitere Informationen über das Projekt.
Das Projekt ist aufgeteilt in zwei Teilprojekte. In Projekt I (geplant 3 Jahre) wird ein Pflege- und Entwicklungsplan erstellt. In Projekt II (geplant 10 Jahre) werden die Maßnahmen umgesetzt. Als NABU-Stiftung übernehmen wir die hierfür notwendigen Flächenkäufe in dem Projektgebiet.
Das Naturschutzgroßprojekt wird im Rahmen des Bundesprogramms „chance natur“ – Bundesförderung Naturschutz – gefördert. Die Finanzierung erfolgt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministeriums (BMU), durch das Niedersächsischen Umweltministerium und durch den WWF. Die Bewilligungsbehörde ist der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz (NLWKN).
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