Der vom Aussterben bedrohte Wiener Sandlaufkäfer fällt durch seine markante getigerte Zeichnung auf. - Foto: Dietmar Wiedemann
Von echten Läufern und falschen Marienkäfern
Neue Studie zu Laufkäfern und Spinnen in Grünhaus
25. März 2019 - Eigentlich lebt der Wiener Sandlaufkäfer auf Sandbänken naturnaher Flussauen. Hier kann der gut getarnte Räuber ungestört über den offenen Sandboden flitzen und kleinere Insekten erbeuten. Aufgrund von Flussbegradigungen und anderen Eingriffen findet man heute natürliche Flussauen in Deutschland kaum noch. Die mittlerweile vom Aussterben bedrohte Laufkäferart lebt fast ausschließlich in Ersatzlebensräumen wie Kiesgruben oder Braunkohletagebauen. Im Naturparadies Grünhaus, dem ehemaligen Tagebaugebiet und NABU-Naturparadies in Südbrandenburg, fühlt sich der Wiener Sandlaufkäfer besonders wohl.
Viele Laufkäfer- und Spinnenarten gelten im Naturschutz als wichtige Zeiger, weil sie fast in allen Lebensräumen vorkommen und besonders schnell auf Standortveränderungen reagieren. Im Rahmen des ehrenamtlichen Biomonitorings, das jedes Jahr in Grünhaus stattfindet, wurden diese beiden Artengruppen jedoch noch nicht erfasst. Im Auftrag der NABU-Stiftung untersuchte 2017 der Entomologe Dr. Ingo Brunk systematisch diese beiden Artengruppen und bestimmte insgesamt 96 Laufkäferarten und 177 Arten der echten Webspinnen. In dem 2.000 Hektar großen Naturparadies leben damit fast 30 Prozent der in Brandenburg vorkommenden Laufkäfer- und Spinnenarten, darunter sind auch einige gefährdete Arten der Roten Liste Brandenburgs.
Was läuft denn da?
Die in Grünhaus erfassten Laufkäfer waren hauptsächlich Offenlandarten, die besonders zahlreich die weiten Sandflächen und Sandtrockenrasen bewohnen. Besonders gefreut hat uns der Fund eines Exemplars des Natterläufers (Polistichus connexus) in der Innenkippe. In den letzten 100 Jahren wurde diese wärmeliebende Art nur einmal zuvor in Brandenburg nachgewiesen. Weitere faunistische Besonderheiten sind der Feld-Dammläufer (Nebria salina) und der Feld-Sandlaufkäfer (Cicindela campestris), die in Deutschland aufgrund von Lebensraumrückgang immer seltener werden.
An den Ufern der Tagebauseen wurden bis zu 37 verschiedene Arten erfasst, die wie der Wiener Sandlaufkäfer eine feuchte Umgebung bevorzugen. An dem Flachwasser in der Seeteichsenke konnte sogar der bis vor wenigen Jahren in Brandenburg verschollene Schwarzhörnige Rotstirnläufer (Anisodactylus signatus) erfasst werden. Das Vorkommen dieser zahlreichen seltenen Arten bestätigt, wie wichtig der Erhalt der nährstoffarmen Rohböden und offenen Uferbereiche im Naturparadies Grünhaus für spezialisierte Insekten ist.
Heimat für 40 bedrohte Spinnenarten
Wie Laufkäfer leben auch Webspinnen räuberisch und finden auf den ehemaligen Tagebauflächen in Grünhaus ausreichend Nahrung. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass das einstige Tagebaugebiet ein wichtiger Rückzugsraum für besonders wärmeliebende Spinnenarten ist. Insgesamt wurden 40 gefährdete Spinnenarten der Roten Liste Brandenburg bestimmt, darunter die vom Aussterben bedrohte Kugelspinne Euryopis laeta und die ebenso bedrohte Laufspinne Thanatus pictus, die in Deutschland überwiegend in Brandenburg und Sachsen-Anhalt vorkommt.
Für eine Überraschung sorgte der Fund der stark gefährdeten Kräuselspinne Lathys stigmatisata, die eher in Süddeutschland beheimatet ist. Sie gehört zu den sogenannten „Lauerspinnen“, die unter Steinen feine Netze aus Spinnwolle weben und in einem Versteck am Rande des Netzes lauern, bis sich Insekten darin verfangen. Die besonders wärmeliebende und gefährdete Krabbenspinne Thomisus onustus fühlt sich in Grünhaus auf den blütenreichen Sandtrockenrasen wohl. Hier hält sie sich gerne auf Blüten auf, um anfliegende Insekten zu erbeuten. Dabei können die Weibchen dieser Art ihre Körperfarbe wechseln und sind dadurch perfekt getarnt.
Spinne oder Marienkäfer?
Eine weitere Bewohnerin in Grünhaus ist übrigens auch die stark gefährdete Rote Röhrenspinne (Eresus kollari), die in Deutschland nur auf bestimmten Wärmeinseln wie zum Beispiel dem Kaiserstuhl vorkommt. In Grünhaus wurde diese besonders markante Art bereits vor einigen Jahren entdeckt. Rote Röhrenspinnen bauen gut getarnte Erdröhren, in die sich bodenbewohnende Insekten wie Laufkäfer verirren. Außerhalb schützen sich die Männchen, die zur Partnersuche die Wohnröhre verlassen müssen, mit einem Trick vor Fressfeinden. So ähnelt ihr Hinterleib in Größe und Färbung einem übelschmeckenden Marienkäfer, was Singvögeln in der Regel den Appetit verschlägt.
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