Stromtrassen zu wertvollen Lebensräumen entwickeln
Mit dem Praxis-Leitfaden zum Ökologischen Trassenmanagement
Der Ausbau des deutschen Stromnetzes ist in aller Munde. Über bestehende Trassen wird hingegen wenig diskutiert. Dabei prägt das Hoch- und Höchstspannungsnetz mit rund 60.000 Kilometern Gesamtlänge einen bedeutenden Teil der Landschaft. Wie Insekten, Vögel und Reptilien vom Lebensraum unter Stromleitungen profitieren können, zeigt der Praxis-Leitfaden „Ökologisches Trassenmanagement“ der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe.
Netzbetreiber sind laut Gesetz zu einer sicheren Stromversorgung verpflichtet. Dazu gehört auch, dass hochwachsende Bäume und Sträucher auf Stromtrassen beseitigt werden, bevor sie die Freileitungen schädigen können. Bislang findet der Naturschutz bei dieser vorgeschriebenen Trassenfreihaltung wenig Beachtung, etwa wenn Gehölze per Kahlschlag entfernt werden und so für viele im Wald lebende Arten plötzlich der Lebensraum fehlt. Hier bietet der Leitfaden anschauliche Beispiele, wie Grundstückseigentümer und andere Interessierte auf eine ökologische Freihaltungspraxis durch die Netzbetreiber hinwirken können.
Durch eine dauerhaft extensive Trassenfreihaltung können sich Lebensraumtypen entwickeln, die in der intensiv genutzten Landschaft rar geworden sind – beispielsweise Zwergstrauchheiden oder stufig aufgebaute Waldränder. In ihnen finden seltene Insektenarten wie die Blauflügelige Ödlandschrecke oder schützenswerte Arten wie Zauneidechse und Haselmaus Rückzugsräume.
Im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsvorhabens untersuchte die NABU-Stiftung von 2017 bis Anfang 2020 anhand ihrer Naturschutzflächen mit Stromleitungen, welchen Einfluss Grundstückeigentümerinnen und Grundstückseigentümer zugunsten einer naturschonenden Trassenfreihaltung nehmen können. Denn im Gegensatz zu den Leitungen selbst sind die Flächen, die von Leitungen gequert werden, in der Regel nicht Eigentum eines Netzbetreibers oder Energieversorgers. Der Praxis-Leitfaden macht diese Erkenntnisse nun für die Unterhaltung bestehender Freileitungen nutzbar. Zahlreiche Bestandteile des Leitfadens sind auch für die Umsetzung eines ökologischen Managements bei Neubauvorhaben nutzbar.
Praxis-Leitfaden „Ökologisches Trassenmanagement“
Der Praxis-Leitfaden unterstützt Grundstückseigentümer/innen dabei, auf ihren Eigentumsflächen mit einfachen Mitteln ein Ökologisches Trassenmanagement zu etablieren. Andere Interessenten finden ebenfalls nützliche Hinweise.
Die Handreichung für die Trassenfreihaltung ergänzt den Praxis-Leitfaden. Sie enthält anschauliche Anregungen für allgemeine Pflegegrundsätze und erleichtert so die Umsetzung des Ökologischen Trassenmanagements in die Praxis. Grundstückseigentümer/innen können sie ihrem Netzbetreiber bzw. dessen Dienstleister zur Verfügung stellen. Ebenso haben Netzbetreiber und Dienstleister die Möglichkeit, die Handreichung ihrerseits zur Integration des Ökologischen Trassenmanagements in ihre Betriebsabläufe zu nutzen.
Die bereitgestellten Geodaten über Freileitungen ab 110 kV erlauben mithilfe eines Geoinformationssystems eine deutschlandweite Leitungsanalyse.
*Freileitungen ab 110 kV aus dem OpenStreetMap-Projekt als ESRI-Shape-Dateien in der Projektion EPSG:4326 (Stand: 18.07.2019).
Die Auszüge wurden aus OpenStreetMap-Daten erstellt und stehen unter der Open Database Lizenz (ODbL) 1.0 (für mehr Details siehe www.openstreetmap.org).
Data Copyright 2019 Intevation GmbH and OpenStreetMap Contributors.
Die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe bietet die Auszüge kostenlos an.
Fachtagung "Stromtrassen pflegen – Natur schützen"
Auf der Fachtagung „Stromtrassen pflegen – Natur schützen: Chancen des ökologischen Trassenmanagements“ wurden am 30. Oktober 2019 die Ergebnisse des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens präsentiert und der Leitfaden vorgestellt. Zahlreiche Referenten und Teilnehmer/innen diskutierten, wie Grundstückseigentümer, Netzbetreiber, Naturschutzbehörden und weitere Akteure eine naturschonende Trassenfreihaltung voranbringen können.
Förderhinweis
Das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben „Ökologisches Trassenmanagement (ÖTM) auf Offenland und Waldstandorten – Beispielhafte Entwicklung eines Gesamtkonzepts für Naturschutzflächen unter Stromleitungen im Eigentum von Naturschutzverbänden und Stiftungen“ wurde vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gefördert.