NABU-Tag der Artenvielfalt 2016
Rund 50 ausgewählte Artenexperten und Nachwuchsforscher aus ganz Deutschland gingen vom 25. bis 26. Juni am Südhang Ettersberg auf Entdeckungstour. Innerhalb von nur 24 Stunden bestimmten die Experten Hunderte Tier- und Pflanzenarten in unserem neuen Naturparadies bei Weimar. Darunter waren 314 Pflanzenarten, 76 Spinnentiere, 60 Vogelarten, 33 Wildbienenarten, 30 Tagfalterarten, 28 Schneckenarten, fünf Lurch- und zwei Kriechtierarten und Hunderte von Insektenarten. Die Feldforscher beobachteten zudem gleich drei der vier heimischen Molcharten: Kamm-, Teich- und Bergmolch. Besonders groß war die Freude über die Wiederentdeckung einer Heuschreckenart am Ettersberg: die Gemeine Plumpschrecke (Isophya kraussii), die besonders gern auf Trockenrasen lebt.
Erstnachweis für seltene Spinnenarten
35 neue Spinnenarten wurden für das Schutzgebiet erfasst, darunter die sehr seltene Spinnenart Pistius truncatus. Diese Krabbenspinne lebt fast ausschließlich auf Eichen und ist durch ihr markantes Aussehen relativ leicht zu bestimmen. Für Thüringen gab es bisher noch keinen offiziellen Nachweis dieser Art. Umso mehr freut es uns natürlich, dass unsere Spinnenforscher gleich zwei Exemplare an den sonnigen Waldrändern am Blumenberg entdeckten. Auch eine seltene Kugelspinne (Theridion hemerobium) wurde durch die Feldforschungsaktion am Ettersberg erstmalig in Thüringen nachgewiesen.
Artenfunde im Überblick
Pflanzen
Bei der Feldforschungsaktion am Ettersberg konnten insgesamt 314 Pflanzenarten nachgewiesen werden, darunter sieben Orchideenarten: Weißes Waldvöglein, Fuchs' Knabenkraut, Große Händelwurz, Großes Zweiblatt, Vogel-Nestwurz, Bienen-Ragwurz und Grünliche Waldhyazinthe. Viele Rote-Listen Arten Thüringens fanden die Feldforscher wie Deutscher Ziest (Stachys germanica), Straußblütiger Gilbweiderich (Lysimachia thyrsiflora) und Ranken-Platterbse (Lathyrus aphaca), die erstmalig in dem Naturschutzgebiet entdeckt wurde. Der gefährdete Rauhhaarige Eibisch (Althaea hirsuta) wurde nach fast 60 Jahren wieder am Ettersberg entdeckt. Weitere gefährdete Arten wie Sommer-Adonisröschen, Schild-Ehrenpreis, Weiße Fetthenne oder Südlicher Wasserschlauch konnten ebenfalls nachgewiesen werden.
Vögel
60 Vogelarten beobachteten die Feldforscher am Ettersberg, darunter waren einige Rote Liste Arten wie Braunkehlchen, Wendehals und Rotmilan. Die mit Abstand häufigste beobachtete Vogelart am Südhang war mit 40 Exemplaren die Feldlerche. Daneben konnten auch eine beachtlich Anzahl von Mönchsgrasmücken sowie zahlreiche Brutpaare von Neuntöter, Schwarzkehlchen und Grauammer nachgewiesen werden. Im Blumberger Wald beobachten die Teilnehmer Jagdfasane sowie insgesamt vier heimische Spechtarten: Buntspecht, Grünspecht, Mittelspecht und Schwarzspecht. Besonders groß war auch die Freude über einen Schwarzstorch, der bei der Futtersuche auf den Wiesen am Südhang gesichtet wurde.
Tagfalter
An den Trockenrasenhängen am Ettersberg wurden 30 Tagfalterarten nachgewiesen, davon 5 Widderchenarten. Sehr häufig fanden die Feldforscher Schachbrettfalter und Esparsetten-Widderchen in ihren Netzen. Je nach Standort waren auch Bläulingsarten wie Hauhechel- oder Geißklee-Bläulinge zahlreich vertreten. Besonders erfreulich waren die Nachweise von gefährdeten Arten wie der Magerrasen-Perlmutterfalter (Boloria dia) und das Rotbraune Wiesenvögelchen (Coenonympha glycerion) am Ettersberg. Zwei seltene Widderchenarten - Flockenblumen-Grünwidderchen (Jordanita globulariae) und das Bibernell-Widderchen (Zygaena minos) - konnten ebenfalls nachgewiesen werden.
Hautflügler
Wildbienen
33 Bienenarten konnten am Ettersberg nachgewiesen werden, darunter zwei Schmalbienenarten, die in Deutschland äußert selten geworden sind: Lasioglossum puncticolle und Lasioglossum glabriusculum (Dickkopf-Schmalbiene). Ebenfalls erfreulich sind die Nachweise der in Thüringen stark gefährdeten Fels-Natternkopf-Mauerbiene und Sand Blattschneiderbiene. Besonders häufig unter den Artenfunden war die Gemeine Furchenbiene, die ihre Nester in vegetationsfreie Böden eingräbt und in Deutschland weit verbreitet ist.
Zweiflügler
Unzählige Artenfunde aus der Gruppe der Zweiflügler erfassten die Feldforscher am Südhang Ettersberg. Insgesamt 26 Familien konnten die gefundenen Exemplare zugeordnet werden, darunter sind diverse Schwebfliegen, Raubfliegen, Bohrfliegen, Blasenkopffliegen, Köcherfliegen, Schnaken, Schmetterlingsmücken, Pelzmücken und Bremsen.
Heuschrecken
Sechs Heuschrecken-Arten konnten die Feldforscher nachweisen, darunter vor allem typische Arten trockenwarmer Standorte wie die Zweifarbige Beißschrecke (Bicoloriana bicolor) oder die Gemeine Sichelschrecke (Phaneroptera falcata). Auch die Gemeine Plumpschrecke (Isophya kraussii) konnte am Ettersberg nach Jahrzehnten wiederentdeckt werden.
Viele der gesammelten Exemplare waren Ende Juni noch im frühen Larvenstadium und konnten deshalb nicht eindeutig bestimmt werden.
Wanzen
47 Arten an Wanzen konnten für den Südhang Ettersberg mit der Feldforschungsaktion nachgewiesen werden. Dabei waren auch drei Arten, die auf der Roten Liste Thüringen stehen, wie die Weichwanze Systellonotus triguttatus.
weitere Insektenarten
Unzählige weitere Insekten wurden während der Aktion als "Beifang" miteingefangen. Elf Käferarten konnten bislang bestimmt werden, darunter wärmeliebende Arten wie Zweibindiger Schmalbock (Stenurella bifasciata) oder Rainfarn-Blattkäfer (Galeruca tanaceti). Auch der beliebte Siebenpunkt-Marienkäfer (Coccinella 7-punctata) fühlt sich am Südhang wohl.
Fünf Asselarten konnten die Forscher nachweisen
Spinnentiere
Insgesamt 69 Spinnenarten entdeckten die Feldforscher, davon waren 35 Erstnachweise für das Naturschutzgebiet am Ettersberg. Von den sieben Weberknechtarten sind mit fünf Arten ebenfalls der Großteil Neufunde für das Gebiet. Erstmalig für Thüringen konnte eine seltene Kugelspinne (Theridion hemerobium) und eine stark gefährdete Krabbenspinne (Pistius truncatus) nachgewiesen werden. Darüber hinaus konnten fünf weitere in Deutschland seltene Spinnenarten am Ettersberg entdeckt werden, darunter einige gefährdete Trockenrasenarten sowie die kleine Zwergradnetzspinne, die vor allem an Gewässern vorkommt.
Weichtiere
28 Weichtierarten wurden am Ettersberg entdeckt, davon auch zwei gefährdete Graslandarten in Thüringen: die Quendelschnecke (Candidula unifasciata) und die Gemeine Heideschnecke (Helicella itala). An den Kleingewässern am Südhang wurden zudem mit der Gemeinen und Linsenförmigen Tellerschnecke zwei Süßwasserarten sowie eine Muschelart (Gemeine Kugelmuschel) nachgewiesen.
Amphibien und Kriechtiere
Neben der verbreiteten Erdkröte und dem Grasfrosch fanden die Feldforscher drei von vier heimischen Molcharten an den Kleingewässer am Ettersberg, darunter der gefährdete Kammmolch, Teichmolch und Bergmolch. Auch einige Blindschleichen und Zauneidechsen ließen sich beim NABU-Tag der Artenvielfalt beobachten.
Auf Entdeckungstour am Ettersberg
Das Naturschutzgebiet Südhang Ettersberg ist ein 408 Hektar großer Naturschatz aus artenreichen Trockenrasen, alten Streuobstwiesen und Laubwälder, die vielen gefährdeten Tier- und Pflanzenarten eine Heimat bieten. Die NABU-Stiftung kauft hier seit 2015 Flächen, um große Teile dieser wertvollen Landschaft für die Zukunft zu bewahren. Den NABU-Tag der Artenvielfalt veranstaltete die NABU-Stiftung und der NABU Weimar zum ersten Mal am Ettersberg. Die erstellten Artenlisten werden uns wertvolle Hinweise liefern, wie in Zukunft die artenreichen Wiesen beweidet werden sollen.
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